Auf Tour mit dem Easy Rider
Vietnam/Hanoi 21.6.2013
Die Busfahrt vom heißen Mui Ne nach Da Lat ins zentrale Hochland verlief unspektakulär und bot auch landschaftlich kaum Reize. Wir fuhren an einigen unschönen Staudämmen vorbei, wobei in mir gleich die Gedanken an raue Natureingriffe aufkamen, zumal die Vietnamesen ohnehin nur wenig für Naturschutz überhaben. Erst als wir Da Lat immer näher kamen, begannen sich die Dinge substantiell zu verändern. Wir gewannen zunehmend an Höhe, die Bewaldung stieg an und es begann zu regnen. Damit einhergehend wurde es auch deutlich kühler. Als ich an der Busstation in Da Lat ausstieg, hatte es nicht mehr als vielleicht 20 Grad, was hier sicherlich niemanden störte, ganz im Gegenteil. Genau diese Temperaturen sind ein Grund, warum sich diese Gegend hier bei einheimischen wie auch ausländischen Touristen großer Beliebtheit erfreut. Ich hatte während der Fahrt versucht, mich beim Busfahrer zu informieren, wo denn mein Hotel läge, aber leider vergeblich, denn er verstand kein Wort. So wartete ich gespannt, was als nächstes passieren würde. An der Endstation sprang ein relativer großer dynamisch wirkender Vietnamese in den Bus und erklärte insbesondere den mitreisenden Touristen, dass sie nun hier vor dem Bus ein gutes Hotel vorfänden und auch die „Easy Rider“ ihre Touren anböten. Mich kümmerte das alles wenig, denn auf solche Schleppermethoden war ich absolut allergisch. Später erfuhr ich, dass das Hotel an die Busgesellschaft einen namhaften Betrag pro Monat zahlte, damit die Station genau vor dem Haus gehalten wurde. Und die Rechnung schien aufzugehen. Ich war auf Taxifahrt eingestellt, als mich plötzlich ein kleiner Vietnamese fragte, wo ich denn mein Hotel gebucht hätte. Kurz nannte ich den Namen, ich wusste auch, dass es ein wenig außerhalb des Zentrums lag, und er bot mir an, mich dort mit seinem „Easy Rider“ hinzubringen und das gratis. So was gab es hier also doch, dass man etwas „geschenkt“ bekommt, aber sicher nicht ohne Hintergedanken. Meine Zweifel meinen 30 kg Koffer auf das Motorrad zu montieren waren schnell beseitigt und bald ging es ins Hotel. Ich hatte mich in eine sehr schöne Ferienanlage mit restaurierten Villen aus der französischen Kolonialzeit eingebucht und der Empfang bestätigte meine Wahl, es war angenehm. Mit Hung dem Easy Rider vereinbarte ich, dass wir uns am nächsten Morgen treffen könnten, um über ein paar Pläne zu sprechen, aber es blieb alles ohne irgendeine fixe Zusage. Damit hatte er kein Problem und ich ohnehin nicht. Da Lat ist ganz anders als alles, was man sonst von Vietnam kennt. Neben den angenehmen Temperaturen überzeugen auch die vielen schönen Villen aus der französischen Kolonialzeit und das Umland ist ein Eldorado für den Anbau von köstlichem Gemüse, Erdbeeren und Blumen. Die Stadt wird auch „Le Petit Paris“ genannt und ist die Hauptstadt für Flitterwochen, was für die heiratswütigen Vietnamesen ohnehin bestens passt. Als ich am nächsten Morgen vor die Türe meiner Villa trat, war ich erstaunt, wie warm es war, denn die Sonne heizte ordentlich ein. Doch bald merkte ich, dass der Sonnenschein in dieser Saisonzeit meistens nur vormittags hält und später oft dunkle Wolken aufziehen, die sich auch sehr häufig kräftig ausschütteten. Wie vereinbart erschien Hung mein Easy Rider Taxifahrer am Vormittag und wir besprachen im herrlichen Garten der Anlage, was ich nun alles hier unternehmen könnte. Der Plan Vietnams lag ausgebreitet vor uns und bald war mein Entschluss gefasst: wenn ich das wirkliche Vietnam kennen lernen wollte, musste ich erstens mobil sein und zweitens mit einem Einheimischen unterwegs sein. Beides war mit Hung dem Easy Rider gewährleistet. Schon am selben Nachmittag saß ich hinten auf seiner Maschine und wir erkundeten zunächst einmal die Stadt selbst. Als erstes Highlight zeigte er mir dann das sogenannte „Verrückte Haus von Hang Nga“, ein skurriles Gebäude einer vietnamesischen Architektin mit einer freien architektonischen Interpretation des Surrealismus. Man geht Gänge und engste Treppen auf und ab, passiert seltsam dekorierte Zimmer, ist manchmal drinnen, dann plötzlich wieder draußen und es kann leicht sein, dass man im Gewirr der labyrinthartigen Verbauungen kurz einmal den Überblick verliert. Ganz oben auf ungefähr 20 m Höhe waren manche Treppen und Steige so eng und ungesichert, dass ich mich gefragt habe, wie so etwas genehmigt werden konnte. Mich hat es nicht gestört, ganz im Gegenteil ich war sehr angetan, aber ungelenke Menschen hatten da ihre Probleme. Die obersten Räume boten auch einen traumhaften Ausblick über Da Lat und die Umgebung. Nach wie vor wurde an diesem ungewöhnlichen Haus gebaut und gestaltet und ein Ende war für mich nicht abzusehen. Es gab sogar die Gelegenheit, in einem der Zimmer zu übernachten und märchenhafte Stunden zu verbringen. Die gezeigte Kreativität wäre ein toller Anreiz für so viele langweilige und unkreative Hotelzimmer, die es in Vietnam zuhauf gibt. Ich war jedenfalls begeistert und konnte mich kaum trennen von dem Gebäudekomplex, der vereint einem riesigen Baum ähnelte. Gleich ging es weiter durch herrlich grüne landwirtschaftliche Flächen, wo man das frische Gemüse förmlich riechen konnte, vorbei an Föhrenwäldern und einem Stausee zur Truc-Lam-Pagode, die ein paar Kilometer außerhalb Da Lats liegt. Sie steht auf einem Hügel und bietet einen herrlichen Ausblick. Die Innendekorationen der meisten Pagoden wirkten auf mich bisher so ästhetisch und geordnet, einfach wunderschön anzuschauen. Ich begann mich zu fragen, warum für die Religion so ein enormer Aufwand getrieben wurde, im privaten Bereich aber häufig das Gegenteil der Fall war. Auch dieser Tempel war sehr ästhetisch und bot ein tolles Bild. Es zogen dunkle Wolken auf und wir schafften es gerade noch vor dem Regen ins Hotel. Mein erster Tag mit dem Easy Rider hatte vollen Spaß gemacht. Am nächsten Morgen zeigte mir Hung das Umland seiner Heimatstadt. Wir besuchten verschiedene Gemüse- und Blumenfarmen und es war interessant, zu erfahren, wie sich Vietnam aus einem Land, das sich kaum selber ernähren konnte, zu einem Nettoexporteur vieler landwirtschaftlicher Produkte entwickelt hatte. Später erklomm ich einen kleinen Berghügel, von dem ich eine schöne Aussicht auf die umliegenden Berge, Hügel und Wälder genoss. Alles war so satt und grün, man glaubte kaum im heißen Vietnam zu sein. Da fiel mir auch das Mountainbiken ein, das ich in Österreich so gerne betrieben hatte, wäre ideal gewesen hier. Doch unsere Fahrt folgte weiter den Berghängen und ein weites saftig-grünes Tal öffnete sich vor meinen Augen. Es stellte sich heraus, dass in diesem Gebiet auch intensiv Kaffee angebaut wird. Nach den herrlichen Teeplantagen in Sri Lanka also jetzt hier die größeren Kaffeepflanzen. Mir wurden auf der Kaffeeplantage die verschiedenen Sorten erklärt und die entsprechenden Bohnen gezeigt. In Erinnerung geblieben ist mir die Sorte „Weasel“, wie sich hier nannte, bei der die Bohnen zuerst vom gleichnamigen Tier gefressen werden und dann nach der Entleerung wieder gesammelt und verkauft werden. Diese Sorte war auch mit Abstand die teuerste, da konnten „Arabica“, „Robusta“ und „Mocca“ nicht mithalten. Als Nichtkaffeetrinker konnte ich diese feinen Unterschiede nicht nachvollziehen. Wissenswert war es dennoch. Danach kamen wir in eine kleine Seidenfabrik, einen Familienbetrieb, in dem man den gesamten Produktionsprozess der feinen Textilfaser kennen lernen konnte. Hier arbeiteten nur Frauen und es war sehr laut. Laut Hung kann nur eine Firma in Vietnam die entsprechenden Maschinen produzieren. Die gekochten Seidenraupen hätte man auf Wunsch auch probieren können, was ich natürlich nicht getan habe. Die fruchtbare Talhochebene bot aber noch weit mehr. Der Abstieg zum Elefanten-Wasserfall stand auf dem Programm. Auf einem steilen rutschigen Pfad führte der Weg hinunter zu dieser beeindruckenden bogenförmigen Kaskade. Die zahlreichen Besucher mussten allesamt vorsichtig sein, denn das Hinuntersteigen war nicht ganz ungefährlich. Was sich dann allerdings zeigte, war die Anstrengung wert. Wenn man in Kauf nahm, ein wenig nass zu werden, konnte man sich bis auf wenige Meter annähern, was sehr beeindruckend war. Der Wasserfall stürzte in voller Breite direkt vor meinen Augen tosend und schäumend in die Tiefe und ein feiner Regenguss erfasste mich. Später kletterten wir noch hinter den Wasserfall, doch da war ich ohnehin schon nass. Gleich neben dem Wasserfall steht die Linh-An Pagode, die mir sofort aufgefallen war. Eine Unmenge an Buddhafiguren, Skulpturen, großen Holzmöbel und Fantasiefiguren aus riesigen Baumwurzeln gab es hier zu bestaunen. Im Inneren des Tempels befinden sich im Zentrum drei große Buddhas, die jeweils seitlich von wiederum zwei bewaffneten Buddhas flankiert werden. Für mich war das immer wieder alles sehr schön anzusehen, obwohl im Grunde meist Ähnliches dargeboten wurde. Doch bei jedem Besuch offenbarten sich weitere Details, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. Im dahinterliegenden Garten sitzt ein großer lachender Buddha und viele Figuren wie aus einer Märchenwelt tummeln sich in verschiedenen Szenen. Irgendwie wirkte das Ensemble auf mich kreativ-anregend, vielleicht war das einer der Gründe für meine Faszination. Den folgenden Tag verbrachte ich in der wunderschönen Gartenanlage meiner Villa und erfreute mich am reichhaltigen Frühstücksbuffet und dem mild-kühlen Wetter Da Lats. Wie ich mit der Zeit mitbekam, gibt es in Vietnam tausende wenn nicht hunderttausende Pagoden, Tempel und Kirchen. Viele schauen relativ gleich aus, aber es finden sich immer wieder herausragende Exemplare. So eine besondere Pagode war für den nächsten Ausflug vorgesehen. Es handelte sich um die Linh Phuoc Pagode in Trai Mat, einer kleinen Ortschaft gleich neben Da Lat. Von außen betrachtet hätte sie ebenso im Wiener Prater als Silhouette für die Geisterbahn herhalten können, vielleicht auch weil am Himmel finstere Gewitterwolken standen. Im Altarbereich war sie nichts Außergewöhnliches, doch im Gewirr der kleinen Treppen und Gänge, die aufwärts führten, entfaltete sie eine magische Kraft. Gleich vis-a-vis stand noch ein pagodenartiger Turm, der in jedem Stockwerk einen mit einem Heiligenschein beleuchteten Buddha beherbergte. Von diesem ziemlich hohen Turm hatte man einen tollen Blick auf die dunkle Pagode und das landwirtschaftliche Umland. Ein paar hundert Meter entfernt steht noch ein schöner Cao Dai Tempel, den ich mir auch noch ansah, hatte ich doch in Tay Ninh vor ein paar Wochen den großen Cao-Dai Tempel, den Heiligen Stuhl der Cao Dai besucht. Zum Abschluss des Tages fuhren wir noch einen Sprung zum Crémaillère Bahnhof in Da Lat. Laut Reiseführer ein schöner Bahnhof mit heute vorwiegend dekorativen Zwecken konnte mich dieser Ort nicht wirklich überzeugen. Es standen einige alte Loks am Gelände herum und die wenigen Touristen machten so wie wir auch ein paar schnelle Fotos fürs Album. Angeblich fahren täglich fünf Züge nach Trai Mat, in das Dorf, aus dem wir gerade herkamen, aber nur wenn sich mindestens zwei Passagiere einfänden. In der Zwischenzeit gab es den typischen Nachmittagsregen in Da Lat und ich war froh, bald in meiner Villa zu sein. Wie gewohnt strahlte am nächsten Morgen wieder die Sonne vom Himmel. Das war auch gut so, denn unser Ausflug ging in die Berge. Wir fuhren zum Lang-Bian Berg, der fünf vulkanische Gipfel zwischen 2100 und 2400 m hat. Am Weg knapp vor dem Fuß des Berges machten wir im Lat-Dorf halt, wo mehrere ethnische Minderheiten leben, unter anderem die Lat und verschiedene Bergstämme. Es gab nicht wirklich viel zu sehen, wir besuchten einen Kunsthandwerksladen und ich verteilte ein paar kleine Geschenke an Kinder. Ein geschäftstüchtiger Bewohner offenbar eine Art Vorsteher führte eine australische Familie und mich im Ort herum und erzählte anschließend in einer Scheune von seinem Leben als Sanitäter bei den Franzosen. Er sprach tatsächlich besser französisch als englisch und bespielte uns abschließend noch mit ein paar skurrilen Instrumenten, wobei er nebenbei noch dazu sang. Abschließend gab es eine Verkostung eines grauslichen alkoholischen Getränks. Ich war froh, als das vorbei war und wir endlich zum Berg kamen. Dort warteten schon die Jeeps auf ihre Gäste. In rasanter Fahrt ging es hinauf auf 2000 m. Oben war es herrlich, warm aber nicht heiß und ein Rundblick zum Träumen. Ich sah die umliegenden Gipfel, Wälder, Seen im Tal und die zahllosen Äcker und Weiden im Umland Da Lats. Ein Luftballon stieg auf und schwebte über dem Tal, es war eine Idylle. So hätte man sich Vietnam als Laie vorher vermutlich nicht vorgestellt. Auf der Rückfahrt besichtigte ich noch die Van Hanh Pagode und die Französische Kirche in Da Lat, beides keine herausragenden Bauwerke, aber bei so viel Konkurrenz ist es nun einmal hart zu bestehen. Der neue Tag brachte zwei wesentliche Änderungen. Erstens saß ich nicht mehr hinten auf Hungs Maschine, sondern fuhr mit einer eigenen und zweitens verließen wir Da Lat für eine viertägige Rundreise mit dem Ziel Nha Trang etwas weiter nördlich an der Küste. Es war also vorbei mit den gemäßigten Temperaturen und den gemütlichen Ausfahrten am Sozius. Die Reiseroute verlief im Uhrzeigersinn wie ein Kreis mit dem Zentrum Da Lat in einem bestimmten Radius. Gleich bei Da Lat hielten wir noch beim Datanla-Wasserfall. Trauben von Vietnamesen drängten sich bei diesem wenig spektakulären Naturereignis. Es wäre eine schöne Landschaft gewesen ohne den Lärm, Müll und ohne die Menschenmassen. Ganz unten fand ich noch eine kleine wasserführende Schlucht, die für die Menge schon zu weit entfernt war. Ich fuhr jetzt immer hinter meinem Guide, der meinen großen hellblauen Koffer auf seiner Maschine befestigt hatte. Es war ein lustiges Bild und die Vietnamesen schauten gelegentlich ganz verzückt. Später machten wir Halt im Lang Dinh An-Dorf (Hühnerdorf), wo mitten im Ort ein riesiger Hahn aus Beton steht. In diesem Dorf lebt die ethnische Minderheit der Kohos. Ich wanderte ein wenig herum, es war trostlos und staubig, die Leute waren bettelarm, unvorstellbare Bedingungen für uns Österreicher. Aber wie überall gab es eine Menge Kinder. Auch hier verteilte ich ein paar kleine Geschenke und machte Fotos bevor es weiter ging. Gleich darauf zeigte mir Hung eine kleine Pilzlandwirtschaft. In einem Gewächshaus wird der Pilz gezüchtet und auf der Straße getrocknet. Fast alles findet in Vietnam auf der Straße statt. Nach einer angenehmen Weiterfahrt über hügelige leere Straßen vorbei an Reisfeldern und Weiden kamen wir zu einem Wasserfall, der seinen Namen auch verdiente, dem Pongour-Wasserfall. Aber der Dammbau dürfte die Wassermengen beträchtlich reduziert haben. Ich verbrachte eine Weile in dem ruhigen schönen Gebiet, während Hung beim Bike ein Nickerchen hielt. Während so eines Reisetages machte ich nicht nur mit dem Bike sondern auch zu Fuß ganz schön viele Kilometer und das Alles bei einer enormen Hitze. Da war ich jetzt sehr froh, körperlich so fit zu sein, eine gute Anwendung vom langjährigen Training. Wir steuerten am späteren Nachmittag unsere erste Zwischenstation an, Bao Loc, einen Ort mit ungefähr 150.000 Einwohnern, der nette Hotels wie aus dem Nichts bietet. Auch wird in dieser Gegend Tee angebaut. Wir fuhren lange auf einer verkehrsreichen, gefährlichen Hauptstraße, doch es blieb uns leider keine Wahl. Das war sehr anstrengend und man musste die Busse, Lkws und Autos ständig im Blick haben und das nach vorne und nach hinten. Hier konnte alles passieren, wenn man nicht aufpasste. Kein Wunder, dass ich am Abend ziemlich erledigt war. In dieser Gegend gab es viele Wasserfälle, wobei die meisten leider durch den Bau von Staudämmen deutlich geschrumpft waren. Knapp 20 km von Bao Loc entfernt liegt der Dambri-Wasserfall, mit ca. 90 m einer der höchsten in Vietnam. Er ist leicht zugänglich und kann auch durch sein Umfeld faszinieren. Ich ging die steilen Stufen zum Fallbecken hinunter und vor mir stürzten sich die Wassermassen in die Tiefe. Ein romantischer Holzsteg mit einer Abzweigung führte auf die andere Seite, wo es einen Lift zur Anhöhe und ein Restaurant gab. Allerdings wurde man durch das feine Sprühwasser ziemlich feucht, wenn man länger auf der Brücke verweilte. Mir gefiel der Ort sehr gut trotz eines kleinen Unfalls, den ich beim Hinterklettern des Wasserfalls hatte. Es war alles sehr niedrig und beim Zurückgehen war ich offenbar so angetan, dass meine Konzentration nachließ. Ich stieß mir an einem spitzen Felsen ein kleines Cut in den Schädel. Kurzzeitig war ich benommen und musste mich sofort am Boden setzen. Es tat ordentlich weh und blutete auch ein wenig, doch als ich es später Hung zeigte, gab er gleich Entwarnung. Ich war erleichtert, doch konnte ich es kaum glauben, dass es relativ harmlos war. Hier in ein Spital gehen zu müssen, das hätte mir gerade noch gefehlt. Zum Glück behielt er Recht, und nach drei Tagen konnte ich mir schon wieder die Haare waschen, Glück gehabt. Am Rückweg erspähte ich eine Christliche Kirche, deren Turm von außen wie ein Raumschiff auf der Startrampe aussah. Innen war sie einfach und schlicht, doch die Außenarchitektur war sehr trendig. Es war sonnig und heiß und wir fuhren auf gemütlichen Straßen durch Tee- und Kaffeeplantagen. Leider änderte sich das bald, denn dunkle Wolken zogen auf. Wir kamen in ein bergiges Gebiet, wo sich die Wolken stauten und leider genau bei unserer Anfahrt kräftig abregneten. So stoppten wir in einem kleinen Weiler und warteten, doch es wurde nicht wirklich besser. Also musste ich das erste Mal die volle Regenmontur anziehen und wir fuhren im Regen weiter. Die Überquerung des Passes im Regenwald war trotzdem sehr beeindruckend, die Wolken hangen in den Bäumen und es dampfte überall. Wieder weiter in der Ebene besuchten wir erneut ein kleines Dorf einer ethnischen Minderheit. Sie hatten relativ schöne Häuser, aber der Platz stand ziemlich unter Wasser. Diese Menschen saßen unter dem Vordach herum, meist mit kleinen Kindern in den Armen und hatten im Grunde nichts zu tun. Es regnete jetzt leider immer wieder und dunkle Wolken verfingen sich rundherum in den Bergen. Die Tour führte auf und ab vorbei an schöner Landschaft und einem riesigen Stausee, dem Dong Nai Staudamm. Durch den Regen war es nicht einfach ein paar brauchbare Fotos zu machen. Unsere heutige Zwischenstation war der kleine Ort Gia Nghia, der außer Schmutz und einem heruntergekommenen Hotel nichts zu bieten hatte, doch leider blieb uns keine Wahl, es gab nichts Besseres. Die letzte Stunde der Fahrt regnete es in Strömen und ohne Unterlass. Am Schluss war ich fast komplett nass, da leider das Regengewand von Hung auch nicht erste Qualität und undicht war. Kombiniert mit einem wirklich miesen Hotel war dieser Moment nicht gerade ein Highlight meines Vietnam-Besuchs. Am nächsten Morgen strahlte wieder die Sonne vom Himmel und ich versuchte, die nassen Kleider vom Vortag trocknen zu lassen. Ganz gelang es in der kurzen Zeit nicht, doch der warme Fahrtwind würde schon den Rest erledigen, da meine Schuhe noch ein wenig feucht waren. Bald waren das letztklassige Hotel und die Regenhölle des Vortages vergessen und Geschichte. Wir folgten jetzt der sogenannten Ho Chi Minh Road und das Tagesziel war die größere aber auch nicht unbedingt sehr charmante Stadt Buon Ma Thuot. Um den legendären Ho Chi Min Pfad ranken sich eine Reihe von Gerüchten und auch seine Länge ist offenbar nicht wirklich eindeutig bestimmbar. Während die US-Armee die Länge auf etwa 5500 km schätzt, behaupten die Nordvietnamesen der Pfad sei 13.000 km lang. Jedenfalls bestand der Pfad aus mehreren oft parallelen Wegen und er stellte während des Krieges für die Nordvietnamesen und die Vietcong-Kämpfer die wichtigste Versorgungslinie von Norden nach Süden dar. Es gab auch viele Routen über das benachbarte Laos, und die Amerikaner versuchten mit allen Mitteln den Weg zu blockieren, was ihnen aber trotz extremer Bombardements und ausgefeilter elektronischer Sensoren entlang der McNamara-Linie nie gelang (Quelle: „lonely planet-Vietnam Reiseführer“). Von all diesem Wahnsinn bekam ich auf der heutigen Straße bis auf das eine oder andere Hinweisschild eigentlich nichts mit und so blieb es Hung vorbehalten, mir ein paar Geschichten über die damalige Gefährlichkeit dieses Pfades zu erzählen. Entlang der Strecke standen zahllose Gummibaumplantagen und ich lernte, wie aus dem Baum die gewinnbringende Flüssigkeit gewonnen werden konnte. Offenbar sind die Plantagen staatlich und Vietnam exportiert die ertragreiche Substanz im Rohzustand, ohne selber die Veredelung zu bewerkstelligen. Ganz ähnlich wie beim Kakao, denn ich fand niemals heimische Schokolade, immer nur teure aus Europa. Eigentlich ein Zeichen eines Entwicklungslandes. Dann bogen wir von der Hauptstraße ab und besuchten zwei schöne Wasserfälle des Krong-Ana-Flusses. Um den 100 m breiten Dray-Sap Wasserfall sehen zu können, musste ich eine Weile zu Fuß gehen und auch eine Hängebrücke überqueren. Da schon wieder dunkle Gewitterwolken heranrückten, hatte ich es recht eilig und blieb nicht allzu lange. Der eindrucksvolle Wasserfall war bisher der breiteste, den ich zu Gesicht bekommen hatte und da gerade Regenzeit war, führte er auch ausreichend Wasser. Hier wurden auch Elefantenritte angeboten, aber ich sah gleich, dass die Pfleger die riesigen Tiere ganz mies behandelten. Leider kümmert dies die Touristen kaum und am allerwenigsten die Einheimischen, sonst würden sie das Leiden dieser Tiere beenden. Ohne auf Details eingehen zu wollen, sei angemerkt, dass die Elefanten in Vietnam vom Aussterben bedroht sind und die gängige Praxis, die Tiere als unerschöpfliche Arbeitselefanten oder für das lukrative Touristengeschäft einzusetzen ohne entsprechende Betreuung und Pflege seitens der Besitzer eine reine Tierquälerei darstellt. Schließlich begann es auch an diesem Tag zu regnen, es war ja auch Regenzeit, doch beim Hotel angekommen, waren wir schon wieder trocken. Der letzte Tag der Tour war angebrochen und es ging wieder an die Küste nach Nha Trang. Gleich zu Beginn schauten wir bei einer Kakaoplantage vorbei und ich sah endlich einmal eine Kakaobohne. Ganz schön groß dieses Ding, das hatte ich bisher nicht gewusst. Während meiner Reise waren mir schon oft bunte, farbenfrohe Dekorationen von Freiluftrestaurationen aufgefallen. Diese liebevoll geschmückten wie Zelte aussehenden Räumlichkeiten waren immer ein Hinweis auf ein Hochzeitsfest. Und solche Feiern gab es in Vietnam ununterbrochen, insbesondere am Wochenende. Je nach Größe des ausgeschmückten Platzes konnte man auch auf die Vermögensverhältnisse der Brautleute schließen. Nicht selten kam es vor, dass man sich weit über die eigenen Möglichkeiten hinausbewegte und die Hilfe seiner Verwandten in Anspruch nehmen musste. Aber Hochzeit ist Hochzeit, und da wird im sonst so sparsamen Vietnam nicht geknausert. Bei einer dieser Gelegenheiten blieben wir stehen und ich hatte die Ehre, die wie üblich sehr jungen Brautleute bei ihrer Ankunft im weißen schönen Wagen zu sehen. Die Festausstattung war für vietnamesische Verhältnisse pompös und alles schien bis ins kleinste Detail organisiert. Jeder Hochzeitsgast warf beim Einlass ein Kuvert, welches vermutlich mit Geld befüllt war, in eine vorbereitete Box. Kurzzeitig sorgte mein Auftritt bei einigen Gästen für gehörige Ablenkung, da ich vor dem Zelt stand und Fotos schoss. Zum Glück hatte niemand etwas dagegen, offenbar war der Anlass zu feierlich für irgendwelche Debatten. Ich hatte sogar das Gefühl, freundlich akzeptiert zu werden, eine schöne Geste, nur der Empfangschef schaute ein wenig finster, aber das hätte er vermutlich ohne meine Anwesenheit auch getan. Nach diesem feierlichen Event führte mich Hung zu einer Produktion von Reisblättern, in der ein junges Mädchen gekonnt - eingehüllt von beißendem Rauch – offenbar stundenlang diese Mahlzeit über einer Feuerstelle herstellte. Noch in meterweitem Abstand war das Rauchgas so stark, dass ich es kaum aushielt und diese junge Frau saß ständig neben der Feuerstelle, einfach unglaublich. Anschließend besuchten wir eine kleine Landwirtschaft, wo in erster Linie schwarzer Pfeffer angebaut wurde. Dort lernte ich sehr nette Vietnamesen kennen. Danach mussten wir wieder über die Berge, bevor wir die Küstenebene erreichen konnten. Es zogen wie schon üblich in den Bergen ganz dunkle Wolken heran und vorsorglich zogen wir das maximale Regengewand an. Dann schüttete es verbunden mit heftigen Windböen plötzlich wie aus Kübeln und das Weiterkommen war sehr schwer. Auf der anderen flachen Seite war es erneut sehr heiß und das teilweise nasse Gewand konnte noch während der Fahrt gut trocknen. Kurz vor Nha Trang mussten wir leider wieder ein Stück die hochgefährliche Hauptroute nehmen. Da war so eine hohe Konzentration nötig, dass ich die schöne Landschaft teils nicht so wahrnehmen konnte. Auf einmal lag das dunkelblaue Meer vor uns, das ich schon so lange nicht gesehen hatte. Draußen gab es viele kleine Inseln und alles sah richtig toll aus. Wir bogen in ein Fischerdorf ein und fuhren auf eine Anhöhe, von wo aus ich einen herrlichen Rundblick hatte. Leider war alles nur von der Ferne wunderschön, in der Nähe kugelte der Müll überall herum und ich wäre nicht in dieses Wasser gestiegen. Ich fragte mich immer wieder, warum die Vietnamesen ihr schönes Land so zumüllen. Bald war die atemberaubende Skyline von Nha Trang auszumachen. Die Stadt hat knapp unter 400.000 Einwohner und besitzt einen der schönsten Stadtstrände Vietnams. An diesem Ort hatte ich mich für die nächsten fünf Tage eingebucht, bevor mich dann Hung für eine weitere und viel größere Tour wieder abholen würde. Er selbst fuhr per Bus mit den beiden Bikes im Stauraum nach Da Lat zurück. |